Petra Jensurski im Interview

„Wenn Du etwas erreichen willst, muss Du etwas dafür tun!“

Das große Spektrum der schwimmsportlichen Möglichkeiten zwischen dem ersten Erfolgserlebnis und der Teilnahme an Weltmeisterschaften sind das Markenzeichen des PSV und machen ihn zum größten und erfolgreichsten Schwimmverein in Essen. Petra Jensurski – heute Physiotherapeutin mit eigener Praxis in Essen-Altendorf – schwamm als erste PSV-Athletin auf Weltniveau.

Tom

Thomas Stuckert: Petra, Du warst unter anderem 1978 Deutsche Meisterin über 100m und über 200m Freistil, hast im selben Jahr bei der WM zwei TOP10-Platzierungen geschwommen, warst im Kader der deutschen Nationalmannschaft , wurdest für die Olympischen Spiele 1980 in Moskau nominiert und hast mehrere Deutsche Rekorde aufgestellt: das war eine erfolgreiche sportliche Karriere. Heute stehst Du Mitten im Berufsleben und leitest deine eigene physiotherapeutische Praxis. Kannst Du Dich noch an Deine aktive Zeit als Leistungssportlerin erinnern? Wie war das damals?

Petra Jensurski

Petra Jensurski: Es war anstrengend! Jeden Tag Training. Erst trainierten wir im Hauptbad, in Altenessen und im Grugabad. 1975 wurde dann das Schwimmzentrum Rüttenscheid eröffnet. Von da an trainierten wir dort jeden Tag in der Woche und auch am Samstag – immer von 16:00 Uhr bis 19:00 Uhr. In der Oberstufe wechselte ich vom Maria Wächtler-Gymnasium zum Helmholtz. Das war damals schon sportlich orientiert und man bekam für Wettkämpfe das Wochenende frei. Damals hatten wir ja noch samstags Schule. Eine Zeit lang probierten wir es mit Frühtraining. Aber ich war danach immer so müde in der Schule. Dann brauchte ich es nicht mehr. Das Training am Nachmittag reichte aus. Das ist der Vorteil, wenn man Sprinterin ist.

Tom

Thomas Stuckert: Was war der tollste Moment in Deiner Schwimmkarriere?

Petra Jensurski

Petra Jensurski: Der Gewinn der Deutschen Meisterschaften über 100m und 200m Freistil. Ich gehörte gar nicht zu den Top-Favoritinnen. Damit war auch die Teilnahme an den Weltmeisterschaften verbunden. Damals bei der WM in Berlin haben wir beinahe eine Bronzemedaille mit der 4x100m-Lagenstaffel geholt. Wir verpassten nur knapp den dritten Platz um 15/100.

Tom

Thomas Stuckert: 1980 warst Du Mitglied der Deutschen Olympiamannschaft und solltest an der Olympiade in Moskau teilnehmen. Es kam anders?

Petra Jensurski

Petra Jensurski: Die Olympischen Spiele in Moskau sollten mein Laufbahnhöhepunkt werden. Mit der 4x100m-Freistilstaffel waren wir auf Platz 3 der Weltrangliste: Marion Aizpors, Karin Seick, Susanne Schuster und ich. Dann kam der Olympiaboykott. Ich war einfach nur enttäuscht. 1979 marschierten die Russen in Afghanistan ein. Die Olympischen Winterspiele 1980 (Lake Placid) wurden noch ausgetragen. Die Olympiade in Moskau wurde dann von den USA, der Bundesrepublik Deutschland und einigen anderen Staaten boykottiert. Ich war so enttäuscht. Ich dachte: Kein Mensch spricht hinterher noch davon, dass Du an den olympischen Spielen hättest teilnehmen können.

Viele machten bis zur nächsten Olympiade weiter. Für mich wurde es aber schwierig. Mein Vater starb mit 60. Mit der niedrigen Witwenrente konnte meine Mutter kaum über die Runden kommen. Wir waren froh, dass uns die Sporthilfe in dieser Zeit unterstützte. Ich begann nach meinem Abi eine Ausbildung zur Masseurin. Wenn Du von 08:00 Uhr bis 17:00 Uhr arbeiten musst, kannst Du Dich nicht mehr auf die nächsten Olympischen Spiele vorbereiten. 1981 verabschiedete ich mich dann aus der Nationalmannschaft. Bis 1984 trainierte ich dann ab und schwamm noch einige Wettkämpfe für den PSV.

Tom

Thomas Stuckert: Seit ein paar Monaten trainierst Du wieder bei den SG Essen-Masters.

Petra Jensurski

Petra Jensurski: Irgendwann tauchte Simone Erdmann (auch PSV-Mitglied, schwimmt bei den SG Essen-Masters, mehrfache Deutsche Meisterin) als Patientin in meiner Praxis auf und meinte: „Hallo, Du könntest mal wieder zum Training kommen!“ „Ich habe keinen Badeanzug mehr“, antwortete ich. Ein paar Tage später kam Simone wieder in die Praxis, legte mir zwei ihre Badeanzüge auf den Empfang und meinte: „Jetzt hast Du keine Ausrede mehr!“ Seitdem bemühe ich mich ein Häppchen. Schwimmen ist aber auch für die Altersgesundheit gut.

Tom

Thomas Stuckert: Wenn ich Dich heute beim Training beobachte, kommt es mir so vor, als hättest Du nie mit dem Training aufgehört.

Petra Jensurski

Petra Jensurski: Schwimmen ist wie Fahrrad fahren. Wenn Du es einmal gelernt hast, verlernst Du es nie. Ich bin eine relative Stilistin. Ich bin technisch gut ausgebildet worden. Mit Technik schwimmt es sich leichter, als wenn jemand mit grober Kraft aufs Wasser semmelt. Was im Augenblick fehlt, ist die Ausdauer.

Tom

Thomas Stuckert: Hast Du Dir sportliche Ziele gesetzt?

Petra Jensurski

Petra Jensurski: Die Hauptsache ist der Spaß. Ich kann im Augenblick nicht einschätzen, wo ich stehe. Ich möchte mich aber auch nicht unter Druck setzen. Mit meiner Praxis habe ich viel zu tun. Die „Deutschen Masters Meisterschaften“ habe ich mir nicht unbedingt vorgenommen. Die sind noch viel zu weit weg. Bei dem einen oder anderen Staffelwettbewerb würde ich gerne meinen Anteil liefern; für Einzelwettkämpfe habe ich erst mal nicht die Ambitionen. Ich möchte Enttäuschungen vermeiden, weil ich noch nicht das erreiche, was ich mir vorstelle. Außerdem habe ich einige gesundheitliche Herausforderungen hinter mir. Ich habe eine neue Hüfte. Da überlegt man sich, was wichtig ist. Spaß ist wichtig und das Miteinander.

Tom

Thomas Stuckert: Was kannst Du vor dem Hintergrund deiner Erfahrungen jungen Schwimmern mit auf ihren Weg geben?

Petra Jensurski

Petra Jensurski: Wenn Du etwas erreichen will, muss Du etwas dafür tun. Man muss wollen! Beim Schwimmen kannst du deine eigene Leistung beeinflussen. Wenn Du trainierst, kannst Du persönliche Bestzeiten schwimmen. Aus meiner beruflichen Erfahrung heraus habe ich den Eindruck, heute wird zu früh zu viel trainiert. Am Anfang ist weniger mehr. Mehr Technik, weniger Kraft.

Tom

Thomas Stuckert: Petra, ich danke Dir für das Gespräch.


3 Antworten auf "Petra Jensurski im Interview"

  • Petra Jensurski
    10. Juli 2013 (16:21)
    Antworten

    Ich fühle mich geehrt….danke schön….war damals ne schöne Zeit….und ich glaube nach so viel Zuspruch und Unterstützung und liebevoller Aufnahme im Team muss ich glaube ich mal wirklich aus dem Quark kommen und was tun……..Danke!!!!!!

  • Julian Kleine-Borgmann
    17. Juni 2013 (22:01)
    Antworten

    Dem kann ich mich nur anschließen, wirklich ein guter Artikel, den ich gern gelesen hab. Selbst als langjähriger PSVler gingen wohl manche Talente an mir vorbei, da ist es spannend davon lesen zu können!

  • Simone Erdmann
    17. Juni 2013 (21:37)
    Antworten

    Toll, das Petra dabei ist. Ich weiß noch das sie ein echtes Talent war , Sorry , Ist! Der Olympiaboykott hat damals Vielen die Motivation genommen. War ein interessanter Artikel. Danke Tommy !


Kommentar verfassen